No one can tell you why you’re here
Perfectly perfect in every way
Nobody does it alone, Jack
I died, too
SIDEFLASHES – DIE AUFLÖSUNG
Zunächstmal möchte ich sagen, dass die Autoren einen perfekten Weg gefunden haben, uns im letzten Teil der Reise noch einmal die schönsten Momente der Serie zu präsentieren, in dem sie uns diese in den „Offenbarungs-Flashes“ der Losties gezeigt haben. Und – ja: auch bei mir ist das eine oder andere Tränchen geflossen...
Ich habe ja bereits im Recap zu „LA_X“ geschrieben, dass ich der Meinung bin, dass die Verbindung zwischen Inselzeit und den Sideflashes mit dem Tod der Losties in Zusammenhang steht – dass es sich dabei jedoch um eine Art „Zwischenwelt“ nach dem Tod darstellt, das habe ich nicht kommen sehen. Und das trotz all der immensen Hints, die wir in diese Richtung erhalten haben, die technisch gesehen zurückreichen bis zu Bens Satz „Dead is dead“ in Staffel 5.
Ich gebe zu, dass die Sideflashes in dieser Staffel meine Nerven ziemlich strapaziert haben, da sie irgendwie wie eine unnötige Handlung wirkten, und ich den Focus lieber auf der Inselhandlung gesehen hätte. Aber nach der Auflösung verstehe ich, warum es nötig war, uns diese Flashes in dieser Ausführlichkeit zu präsentieren – auch, wenn ich im Nachhinein tendenziell verstimmt bin über absichtlich irreführende Fährten, die die Autoren gelegt haben – allen Voran die versunkene Insel in „LA_X“ (zusammen mit einem vorbeischwimmenden Dharma-Hai – WTF, liebe Autoren?)
Die Auflösung der Sideflashes halte ich persönlich für sehr gelungen, denn einerseits geben sie uns ein Happy End, was auf der Insel einfach nicht mehr erreichbar war, andererseits lassen sie doch die emotionalen Tode, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, nicht an Bedeutung verlieren, was nämlich der Fall gewesen wäre, wenn der Tod einfach nur in diese alternative Realität geführt hätte.
Zugegeben, lässt es doch vieles, was wir in dieser Staffel gesehen haben, in einem etwas bizarren Licht erscheinen – vor allem, was die Sickness angeht. Eine Storyline, die ich im Übrigen für komplett verzichtbar halte und uns lediglich einige verstörend-bizarre Zombie-Szenen verschafft hat. Was hat es aber mit dieser Sickness auf sich, wenn man sie im Wissen der Sideflashes betrachtet? Waren Sayid und Claire tot, kurz in der Sideflash-Welt, sind wieder zurückgekehrt und dann wieder gestorben? Irgendwie erschließt sich mir hier kein wirklich rundes Bild und ich wünschte wirklich, dass die Autoren uns diese Sickness-Story einfach erspart hätten.
Die Sideflashes repräsentieren meiner Meinung nach einen Zwischenschritt zwischen dem Leben und entweder dem Himmel oder aber einer Wiedergeburt. Beide Punkte (Himmel und Wiedergeburt) sind für mich denkbar, weshalb ich mich für meine Interpretation nicht wirklich auf einen der beiden Aspekte festlegen möchte. Es hängt vielleicht damit zusammen, dass ich mich auch nicht endgültig festlegen möchte, was mit uns generell nach dem Tod passiert – letztlich muss diese Frage wohl jeder für sich selbst beantworten. Ob die Losties nach dem Schritt ins Licht in den Himmel einkehren und die Zwischenwelt notwendig war, damit alle gemeinsam hindurchgehen. Oder ob die Losties nach dem Schritt ins Licht in ein neues Leben geworden werden, und die Zwischenwelt notwendig war, um auch im nächsten Leben in irgendeiner Form miteinander in Verbindung zu stehen. Oder aber ob die Losties einfach durch das Licht schreiten und in diesem Moment ihr Bewusstsein komplett aufhört, zu funktionieren.
Wenn ich mich zu einer Interpretation hinreißen lassen soll, würde ich nach meiner Ansicht über den Tod zu zwei möglichen Szenarien tendieren: Einerseits, dass es sich beim Schritt durch das Licht um eine Wiedergeburt handelt. Denn nicht nur, dass es Desmonds Satz „See you in another life“ eine völlig neue Bedeutung geben würde. Vor allem jedoch sagte „Mutter“ auf die Frage, was das Licht sei: „Life, death, rebirth.“
Andererseits könnte ich mir genausogut vorstellen, dass die Losties nach ihrem Schritt durchs Licht, als eine Art kollektives Bewusstsein in den Himmel eintreten würden. Dass sie quasi als ein Ganzes in eine neue Form der Existenz eintreten würden, bei der sie einen gewissen Grad der Vollkommenheit erlangt haben, den ein Mensch alleine niemals erreichen könnte, in Verbindung mit Anderen jedoch schon, da andere Menschen die eigenen Schwächen durch ihre Stärken ausgleichen würden. Das würde perfekt passen zu dem Namen, den das Konzert von Widmore und Drive Shaft trägt: „Fusion“ - und es wäre eine Parallele zum Titel des Buchs, das Jacob liest, als Locke aus dem Fenster stürzte: „Everything that rises must converge.“
SIDEFLASHES – GENERELLE ANALYSE
Die Sideflashes stellten in gewisser Weise also eine Welt des Übergangs dar, bei der die Losties quasi in gewisser Weise getestet wurden, ob sie auch unter veränderten Voraussetzungen den Fortschritt in ihrem Bewusstsein erlangen würden, den sie im Leben erreicht haben. In manchen Fällen haut das ganz gut hin, in anderen leider nicht mal ansatzweise.
BOONE – Wie er seine Erkenntnis erlangt hat, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ging es aber um die Beziehung zu Shannon, dem prägenden Element in seinem Leben. Problematischerweise jedoch waren es ja wohl Berührungen oder ähnliche Situationen, die bei den Losties in der Zwischenwelt (ZW) das „Letting go“ bewirkt haben. Müsste dementsprechend nicht Boone noch einmal auf Locke gestoßen sein, denn seine Intervention auf der Insel war es schließlich, die Boones Shannon-Obsession beseitigt hat? Vielleicht war Boone aber bereits im Flieger „erleuchtet“, denn seine Kommentare an Locke wirkten schon damals etwas sehr verdächtig wissend: „If this thing goes down, I’m gonna stick with you“ oder „Are you pulling my leg?“
SHANNON – Es ist mir nicht ganz klar, wieso die Autoren Shannon nicht gleich für „LA_X“ mit-gecastet haben, wenn sie sie sowieso noch im Lauf der Staffel zurückgeholt haben. Für Shannon jedenfalls war es eine Berührung mit Sayid, die ihr „letting go“ bewirkt hat. Ihr größtes Defizit im Leben war es, dass Niemand sie ernstgenommen hat und sie dementsprechend den Part gespielt hat, den ihr die Umwelt ohnehin auferlegt hat. Erst Sayid hat mehr in ihr gesehen, als ein blondes Püppchen. Und dadurch konnte sie (wenn auch nur kurz) zu der Frau werden, die sie eigentlich immer sein wollte.
ROSE & BERNARD – Meine Vermutung: beide hatten keine „Issues“, die sie bewältigen mussten und waren dementsprechend vom Start weg „erleuchtet“ und mussten lediglich warten, bis die Anderen so weit waren. Roses Kommentar an Jack „you can let go now“ im Flieger oder die kryptischen Kommentare von Bernard an Jack und die „Letting go“-Rede von Rose an Locke könnten allesamt in diese Richtung zeigen.
CLAIRE – Wie auch auf der Insel in Staffel 6 macht mir Claires Auftritt in den Sideflashes Kopfzerbrechen. War es nicht ihr „Issue“, dass sie lernen musste, Aaron zu akzeptieren? Hätte sie dementsprechend ihre „Erleuchtung“ nicht bereits in „What Kate Does“ kriegen müssen? Denn damals wirkte sie sehr verzweifelt, dass ihr Kind sterben könnte. Dann wiederum ist sie direkt im Anschluss zur Adoptionsagentur gegangen – so you never know. Erst die eigentliche Geburt war für sie wohl der Auslöser, den sie benötigt hat.
CHARLIE – Einer der wohl problematischsten Charaktere in den Sideflashes. Hat er nicht kurz vorher noch Desmond von seiner Traumvision von Claire erzählt? Dann sieht er sie auf dem Konzert – und außer einem dummen Blick passiert nichts? Dann berührt er sie – und schwupps – Erleuchtung? Irgendwie versteh ich bei Charlie nichtmal im Ansatz, wo hier sein „Letting go“-Faktor war. Denn auf der Insel war es ganz klar seine Sucht, die er überwinden musste. Wäre es nicht viel konsequenter gewesen, wenn Charlie während einem Drogenentzug in der ZW seine Erleuchtung bekommt, als bei einer Berührung mit Claire? Ich raffs nicht.
SUN & JIN – Dieser Erleuchtungsmoment macht nicht einmal den geringsten Sinn. Wieso erinnern sich Sun und Jin in dem Moment, in dem sie Inside-Ji-Yeon strampeln sehen? DAS war die große Issue von Sun und Jin? Wohl eher nicht, angesichts der Tatsache, wie desinteressiert beide über ihre Tochter waren, im Augenblick ihres Todes. Die große Hürde von Sun und Jin war es doch permanent, ihre Liebe zu würdigen und festzuhalten. Dementsprechend hätte deren Erleuchtung im Moment kommen müssen, in dem Sun angeschossen worden ist... Weird...
SAYID – Sein Issue war es nicht – wie viele vermuten – dass er Leute gekillt oder gefoltert hat. Sein Issue war es, dass er permanent das getan hat, was ihm andere aufgebürdet haben. You’re a killer, Sayid – und er wurde zum Killer. Hurley sagt es Sayid ganz direkt: „You can’t let other people tell you what you are, dude. You have to decide that for yourself.“ Das Problem an der Sache: Nadia war eine der Personen, die ihm gesagt hat, was er sei – und war eine der Personen, die ihn zu dem gemacht haben, was er wurde. Shannon hingegen hat ihn (wenn auch nur kurz) so akzeptiert, wie er war, ohne ihm zu sagen, wer er sein solle, oder was er zu tun habe. Von daher habe ich überhaupt kein Problem damit, dass Shannon Sayids Soulmate ist und nicht Nadia.
HURLEY – Hurley hatte eigentlich immer zwei „Issues“. Einmal, permanent Pech zu haben (in der ZW glücklicherweise nicht vorhanden) und zweitens, bei Frauen permanent Pech zu haben (in der ZW unglücklicherweise vorhanden). Dementsprechend war es schon irgendwie verständlich, dass es ein Kuss von Libby war, der ihn „erleuchtet“ hat.
LIBBY – Tja. Das Problem ist: wir wissen nichts von Libbys „originaler“ Vergangenheit. Deshalb müssen wir es einfach so hinnehmen, dass sie ihre „Erleuchtung“ durch einen TV-Spot mit Hugo hatte. Vielleicht hatte sie ja in ihrem Leben auch einen Realitätsverlust, bei dem sie sich zum Beispiel für eine Psychologin gehalten hat. Hmmm.
KATE – OK, klar. Kates Issue war es, nicht länger wegzulaufen und endlich Verantwortung zu übernehmen. Hat sie erreicht durch die ZW-Geburt von Aaron. Seufz. Ein langweiliger Charakter – sogar noch nach ihrem Tod...
LOCKE – Er war gequält durch das Verhältnis zu seinem Vater, durch den er letztendlich im Rollstuhl gelandet ist. Unter anderen Voraussetzungen haben wir das gleiche Konstrukt in der ZW. Es ist demzufolge nur konsequent, dass Locke seine Erleuchtung hat, als er sein Gefühl in den Beinen wiedererlangt. Und auch wenn ich jetzt vielleicht kleinlich werde, aber wieso hat Locke gesagt: „You don’t have a son“ - Locke ist VOR Jack gestorben, von daher hätte er diesen Punkt überhaupt nicht wissen können. Und wieso er einfach ohne Helen in die Kirche geht, entzieht sich leider auch meinem Verständnis... Anyway...
SAWYER & JULIET – Sawyers Schwäche war es immer, dass er niemanden an sich herangelassen hat – bis auf Juliet. Es war demnach klar, dass nur Juliet Sawyer aus dem Kokon der ZW befreien konnte. Ich weiß zwar nicht, inwieweit Sawyer (geschweige denn Juliet) hier wirklich ein „Letting go“-Moment hatte, aber von allen Szenen der Erleuchtung war das hier der für mich emotionalste. Deshalb mecker ich hier ganz bestimmt nicht.
DESMOND & PENNY – Das ist definitiv die größte Schwierigkeit, die ich mit den Erleuchtungen habe. Selbst, wenn wir sagen, dass es definitiv erst die Berührung mit Penny war, die bei Desmond den Moment ausgelöst hat – inwiefern hatte er hier einen „Letting go“-Moment? Weil es im gleichen Stadion passiert ist, das der Ausgangsort für eine jahrelange Trennung der Beiden war? Müsste dann nicht aber eher Widmore herhalten, als dem Auslöser der Trennung? War es nicht aber eigentlich Desmonds Issue, dass er es permanent versucht hat, allen Recht zu machen und Jedem zu helfen, was letztendlich sein eigenes Leben ruiniert hat?
Und Penny? Ihren Moment haben wir gar nicht gesehen. Wieso sie überhaupt in der Kirche war, ist mir generell ein Rätsel – denn die meisten der Leute hat sie nie gekannt.
JACK – Ihn quälte in seinem Leben das Verhältnis zu seinem Vater. In der ZW wurde er in die gespiegelte Situation gesteckt, in der er die Rolle des Vaters gespielt hat. Erst, als er gelernt hat, seinem Sohn die Aufmerksamkeit zu geben, die er sich immer von seinem Vater gewünscht hat, war er in der Lage, den Standpunkt seines Vaters zu verstehen, der nunmal die gleiche Charakterschwäche besaß wie er: er konnte nicht loslassen. Dementsprechend ist es nur konsequent, dass Jack der letzte der Losties war, dem bewusst wurde, worum es sich bei der ZW handelte. Selbst, nachdem er mehrere Erinnerungsmomente gehabt hat und selbst, nachdem sein Sohn auf mysteriöse Weise vom Konzert verschwunden war (nachdem Locke ihm gesagt hat, dass er keinen Sohn habe), hält Jack nach wie vor an der Vorstellung fest, dass die ZW die reale Existenz darstelle. Und nur mithilfe seines Vaters gelingt es ihm schließlich, loszulassen. Etwas, was ihm ohne die gespiegelte Vatersituation und der daraus gezogenen Lehre, dass er die selben Schwächen wie sein Vater auf seinen Sohn überträgt, wohl nicht so leicht möglich gewesen wäre.
SIDEFLASHES – NOT READY YET?
Was um alles in der Welt hat es damit auf sich, dass wir einige Personen in der Kirche gesehen haben, andere jedoch nicht?
Ich denke, wir können zunächstmal unterscheiden zwischen den Personen, die wir zwar in den Sideflashes gesehen haben, nicht jedoch in der Kirche.
Das wären: Ana Lucia, die Redshirts (quasi der „Rest“ von Oceanic 815, zusammen mit Arzt und Frogurt), Daniel Faramore-Widday, Charlotte, Miles, Eloise Hawking, Cindy und Ben.
Einigen dieser Leute kann man das Label „not ready yet“ attestieren, wie Desmond es getan hat im Hinblick auf Ana Lucia. In diese Kategorie kann man wohl auch Miles zählen, denn auch für ihn dürften die drei Jahre in der Lostie-Community den wichtigsten Teil seines Lebens dargestellt haben. Auch Ben zählt da hinein, denn er sagte ja quasi, dass er später kommen würde (wobei ich mich grad frage, was „später“ bedeutet in einem Zeit-losen Konstrukt...).
Einige Charaktere dürften in diesen Kreis überhaupt nicht hineinpassen. Die Redshirts etwa, denn diese haben ja eher eine eigene Gruppe dargestellt (wobei Rose und Bernard ja wohl eher zu diesen Leuten gehörten, oder?).
Ich denke, wir können dann ruhigen Gewissens noch einen „dritten Kreis“ aus Leuten aufmachen – nämlich die Dharma-Leute. Miles dürfte sein Vater zum Beispiel wichtiger sein als Sawyer. Charlotte hat in der DI ihre Wurzeln und ihr Leben lang versucht, wieder zu dieser Insel ihrer Kindheit zurückzukehren. Und Daniel hat sein Leben lang über die DI geforscht.
Desmond meinte ja auch, dass Daniel nicht mit IHM mitgehen werde. Wie man es auch dreht und wendet, Eloise Hawking wird auch in der ZW nicht viel von ihrem Sohn haben.
Was mich jedoch mehr als nur verwirrt, ist, wieso es bei der Berührung von Daniel und Charlotte nicht auch zu einem Flash gekommen ist. Zu welcher Gruppe sie gehören, ist doch egal – aber auch sie müssen doch „on moven.“ Aber wahrscheinlich hätte es viele verwirrt, wenn die beiden eine Erleuchtung gekriegt hätten, dann aber nicht in der Kirche gewesen wären...
Und machen wir ruhig noch einen „vierten Kreis“ der Others auf, in den wir dann Cindy packen können. Dort kann sie bis in alle Ewigkeit mit Mr Friendly Football spielen...
SIDEFLASHES – DIE FEHLENDEN PERSONEN
Wen wir in den Sideflashes überhaupt nicht gesehen haben, sind Michael, Walt, Richard, Eko und Frank.
Erklärbar ist die Abwesenheit nur bei einer einzigen Person: bei Michael. Er hat Hurley klar und deutlich gesagt: „We are the ones who can’t move on.“
Weil er also so furchtbare Dinge getan hat, darf er nicht weiter... häh? Hat Sayid bessere Dinge getan? Der Vergleich der beiden Charaktere drängt sich auf, denn beide haben sich im Endeffekt geopfert, um die anderen zu retten. Wenn das bei Sayid Vergeltung genug ist, wieso nicht bei Michael?
Ich kann eigentlich nur einen Lösungsansatz erkennen – nämlich, dass Sayid seine Taten im Endeffekt doch noch bereut hat, während es Michael nicht getan hat. Zu Hurley sagt er immerhin in „Everybody Loves Hugo“: „If you ever do see Libby again, tell her I’m really sorry“ - gemerkt? Von Ana Lucia ist keine Rede! Möglicherweise rechtfertigt Michael also nach wie vor seine Taten gegenüber Ana Lucia als Notwendigkeit, um Walt zu befreien.
Und Walt? Für Walt dürfte die wichtigste Zeit seines Lebens eher mit seiner Großmutter gewesen sein, die ihn aufgezogen hat – oder aber seine spätere Familie. Bei seinem Aufeinandertreffen mit „Jeremy Bentham“ in Staffel 5 schien Walt auch nicht wirklich interessiert zu sein, an diesen ganzen Insel-Spielchen und schien einfach ein ganz normaler Teenager geworden zu sein... außerdem ist er zu alt geworden ;)
Eko? Ich denke, er ist noch nicht ready. Er wurde uns nicht gezeigt, weil der Actor eine astronomisch hohe Summe verlangt hat.
Bleibt noch Frank. Dieser hat Teile der Losties immerhin zweimal gerettet, also sollte die Insel schon ein relevanter Teil seines Lebens sein. Und er schien zumindest sehr obsessiv mit Oceanic 815 zusammenzuhängen. Ob es hingegen der wichtigste Teil seines Lebens war, steht in den Sternen.
Richard haben wir in der ZW zwar nicht gesehen, aber ich denke, dass wir ihn in die Gruppe der Others packen können... oder in die „Richard & Isabella Only“-Gruppe
Und so sehr ich auch noch nachvollziehen kann, dass Aaron als Säugling in der Kirchgruppe dabei ist – denn es geht ja prinzipiell nur um das Konzept der Seelen. Und so sehr ich bei viel Verbeugung sogar noch akzeptieren kann, dass Ji Yeon nur im Mutterleib in der Kirche ist. Was ich aber nicht nachvollziehen kann: WO IST CHARLIE HUME?????????
SIDEFLASHES – DIE KIRCHE
Es ist wunderbar offengelassen worden, was nach der ZW auf die Losties wartet. Es ist alles eine Frage des Standpunktes. Nicht zufällig hat man die Symbole verschiedener Religionen in der Kirche gesehen – christliche, hinduistische, buddhistische, jüdische, taoistische und islamische. Alles vereint in einem generellen Haus des Glaubens – jedoch: und das ist etwas, was die meisten Kritiker der Finalfolge übersehen haben – ebenso ein Haus der Wissenschaft, denn es war eben jene Kirche, mit deren Hilfe die Insel lokalisiert werden konnte.
Die Jack-Christian-Szene war herzerweichend und wurde von uns lange herbeigesehnt. Dass er seinem Vater endlich sagen kann, dass er ihn liebt. Ein letztes „letting go“ seines Charakters. Christian übernimmt in dieser Szene die Rolle des Architekten, der uns erklärt, was es mit der ZW auf sich hat. Es war den Ort, den sie alle gemeinsam geschaffen haben. Das bedeutet nicht, dass die ZW ein Ort exklusiv für die Losties war, sondern einfach, dass die Umstände und die Gegebenheiten der ZW von den Losties konzipiert waren, um es ihnen möglich zu machen, einander zu finden.
Christian gehört nicht in diese Gruppe – er sagt es klar und deutlich: „This is a place that you all made together“ - YOU, nicht WE. Christian ist derjenige, der Jack dabei hilft, ihn in eine neue Ebene zu führen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Christian shephard“, als dieser durch die Kirchtür tritt, flankiert von zwei Engeln und in ein strahlendes Licht eintaucht. Die Losties bleiben in der Kirche, denn sie sind noch nicht vollzählig. Einige, die „not ready“ sind, müssen noch zur Party hinzustoßen, damit die Gruppe gemeinsam durch die Tür treten kann.
LOST – EINE BILANZ
Am Ende waren einige wütend, einige glücklich, einige begraben in einem Berg aus Taschentüchern. Das Ende von Lost hat die Meinungen gespalten, wie keine andere Folge der Serie – denn viele nahmen diese Folge zum Anlass, die gesamte Reise zu bewerten.
War Lost eine einmalige Erfahrung oder war es Zeitverschwendung? Viele bemängeln das Defizit an klaren und unmissverständlichen Antworten – vielleicht durchaus ein berechtigter Aspekt. Ich selber war sehr versessen auf Antworten, bis „Across the Sea“ meine Meinung geändert hat. Hätte ich „Across the Sea“ ohne Erwartungshaltung gesehen, wäre ich wohl nicht enttäuscht gewesen. Ich habe daraus gelernt und mich ohne jede Erwartung dem Finale von Lost gewidmet – wobei ich jedoch eigentlich doch eine Erwartung hatte: dass die Geschichte ein rundes Ende findet. Und das ist meiner Meinung nach gelungen.
Denn um es mit den Worten von „SmokeMother“ zu sagen: „Every question that I answer will simply lead to another question“ und je weiter man diesen Bogen gespannt hätte, wäre man tatsächlich irgendwann bei philosophisch-existentiellen Fragen gelandet: Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und da Lost (innerhalb des Serien-Universums) diese Fragen beantwortet hat, könnte es mich nicht weniger interessieren, wo die Dharma-Essenslieferungen hergekommen sind oder was es mit dem Hurley Bird auf sich hat.
Lost war ab der ersten Sekunde eine Serie, die geprägt war von den Charakteren. Diese Charaktere wurden in ein mystisches Umfeld geworfen und diese Mysteries haben uns von Anfang an gepackt. Aber niemanden hätte diese Serie interessiert, wenn die Charaktere nicht so glaubhaft gewesen wären, wenn ihre Intentionen nicht derart nachvollziehbar gewesen wären und sie uns im Lauf von über 100 Folgen nicht so eng ans Herz gewachsen sind, dass ein Abschied förmlich weh tut.
Aber nicht nur in der Serie ging es im Endeffekt nur um die Charaktere – sondern vor allem in dem, was die Serie ausgemacht: nämlich der Interaktion mit anderen Lost-Fans, die sich austauschten über Mysteries, Theorien erstellten, Fan-Art und Fan-Fiction erstellten und alles in allem eine so enge Community geschaffen haben, wie es nie zuvor eine Serie geschafft hat. Ich perrsönlich bin der Meinung, dass es eine Erfahrung wie Lost nie wieder geben wird und ich bin froh, dass ich von der ersten Sekunde an Teil dieser einmaligen Reise sein durfte. Ich bin dankbar über viele Stunden Unterhaltung und vor allem bin ich dankbar für viele großartige Diskussionen mit so vielen intelligenten Menschen. Denn, auch wenn es manchmal etwas wild her ging, weiß ich doch jede einzelne Sekunde davon zu schätzen.
Wenn uns Lost eine entscheidende Moral präsentiert hat, dann, dass Niemand von uns perfekt ist und wir um unser Leben voranzubringen, auf die Hilfe und die Unterstützung anderer angewiesen sind. Und diese Moral kann man mühelos auf die Lost Community beziehen – niemand von uns hätte diese Erfahrung so sehr genießen können, wenn nicht die anderen Lost-Fans um uns herum gewesen wären, die uns immer wieder eine andere Perspektive verschafft hätten.
Zum Schluss möchte ich all den Lesern meiner Recaps danken, die sich durch oft seitenweise kruder Theorien durchwühlen mussten. Ich möchte auch meinen Mit-Recappern Maike, Ivan (und Erik) danken, mich auf diesem Weg begleitet zu haben und wir es gemeinsam so geschafft haben, verschiedene Perspektiven von einer Folge zu bieten. Und im Endeffekt ging es bei Lost immer um die Perspektive.
In dem Sinn – ob ihr das Ende von Lost mögt oder nicht, niemand sollte die gemeinsame Reise verteufeln, denn es war eine großartige Zeit. Ich habe viel gelernt, hatte viel Spaß, einigen Streit und vor allem hab ich neue Perspektiven gewonnen.
See you in another life...
...sprich: Rewatch ;)
Euer Samir
